Inhalt der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen
Die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen (kurz OECD-Leitsätze) sind der umfassendste multilaterale Verhaltenskodex zur Förderung verantwortungsvollen unternehmerischen Handelns bei Auslandsgeschäften. Die OECD-Leitsätze geben Empfehlungen für das internationale Geschäft von Unternehmen in den Bereichen Offenlegung von Informationen, Menschenrechte, Beschäftigung, Umwelt, Korruptionsbekämpfung, Verbraucherschutz, Wissenschaft und Technologie, Wettbewerb sowie Besteuerung. Ein wichtiger Aspekt der OECD-Leitsätze ist die Sorgfaltsprüfung (Due Diligence). Darunter ist der Prozess zu verstehen, mit welchem Unternehmen die von ihren Geschäftstätigkeiten, Lieferketten und anderen Geschäftsbeziehungen ausgehenden tatsächlichen und potenziellen negativen Effekte ermitteln, vermeiden und mindern sowie Rechenschaft darüber ablegen können, wie sie diesen Effekten begegnen.
Die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen umfassen elf Kapitel mit unterschiedlichen Themenbereichen, die sich wie folgt zusammenfassen lassen:
Im ersten Kapitel werden die wichtigsten Begriffe und Grundsätze der OECD-Leitsätze dargestellt. Beschrieben werden ebenso der Anwendungsbereich und der Zweck der OECD-Leitsätze sowie das Wesen der Nationalen Kontaktpunkte.
Im Kapitel "Allgemeine Grundsätze" werden die Ziele der OECD-Leitsätze und die wichtigsten, prinzipiellen Verhaltensempfehlungen an Unternehmen dargestellt. Damit soll eine erste Orientierung gegeben und Grundsätze definiert werden. So beispielsweise in den Themenbereichen unternehmerische Sorgfaltspflichten (Due Diligence), nachhaltige Entwicklung, lokaler Kapazitätsaufbau und die Förderung der Humankapitalbildung.
III. Offenlegung von Informationen
Als wichtige vertrauensbildende Maßnahme wird von den Unternehmen die Offenlegung von Informationen gefordert: Unternehmen sollen die Öffentlichkeit über ihre Geschäftstätigkeit informieren. Dies gilt für ihre Geschäftsergebnisse und auch für soziale und umweltrelevante Fragen sowie sonstige absehbare Risiken. Diese Informationen sollen rechtzeitig und regelmäßig erfolgen, ohne jedoch für Unternehmen eine übermäßige Belastung darzustellen.
Unabhängig von der Größe, der Branche, des betrieblichen Kontexts und Struktur sollen Unternehmen Menschenrechte respektieren. Die anerkannten Menschenrechte sind überall dort zu beachten, wo Unternehmen ihre Geschäftstätigkeit ausüben. Verletzungen, also negative Auswirkungen, die die Tätigkeit des Unternehmens auf die Menschenrechte einzelner Personen haben kann, sollen vermieden bzw. gänzlich verhindert werden. Auch soll dieses Thema im Rahmen der unternehmerischen Sorgfaltspflichten (etwa: Due Diligence Vorkehrungen) Berücksichtigung finden.
V. Beschäftigung und Beziehungen zwischen den Sozialpartnern
Dieses Kapitel deckt die international anerkannten Kernarbeitsnormen ab. Darunter fallen beispielsweise die Vereinigungs- und Tarifvertragsfreiheit, die Abschaffung aller Formen von Zwangs- und Kinderarbeit sowie die Beseitigung von Diskriminierungen jeglicher Art im Berufsalltag. Unternehmen und Arbeitnehmerorganisationen sollen sich bemühen, konstruktiv zusammenzuarbeiten, sich auszutauschen und beispielsweise auch das Zustandekommen wirksamer Tarifverträge fördern. Unternehmen sollen soweit möglich einheimische Arbeitskräfte beschäftigen und für Fortbildungsmaßnahmen zur Anhebung des Bildungs- und Qualifikationsniveaus sorgen. Mögliche Veränderungen der Geschäftstätigkeit oder der Struktur des Arbeitgebers sollen vorher mit den Arbeitnehmervertretern beraten werden.
Dieses Kapitel spiegelt weitgehend die Grundsätze und Ziele der wichtigsten Abkommen im Umweltbereich wider. So etwa die Rio-Erklärung, in diesem Rahmen auch die Agenda 21 und die Aarhus-Konvention. Darüber hinaus trägt es den Standards Rechnung, die in Instrumenten wie dem ISO-Standard für Umweltmanagementsysteme ausgearbeitet wurden. Unternehmen wird empfohlen, eine transparente Umweltberichterstattung einzuführen und eine wirksame Krisenplanung für den Fall schädlicher Umweltfolgen bereitzuhalten. Sie sollen ständig um eine Verbesserung ihrer Umweltergebnisse bemüht sein. Ebenso soll das Bewusstsein der Kunden für die Umweltfolgen bei der Verwendung von Produkten und Dienstleistungen des betreffenden Unternehmens geschärft werden.
VII. Bekämpfung von Bestechung, Bestechungsforderungen und Schmiergelderpressung
Zur Bekämpfung von Korruption sollen Unternehmen weder direkt noch indirekt Bestechungsgelder oder sonstige ungerechtfertigte Vorteile anbieten, versprechen oder fordern, um einen Auftrag oder einen sonstigen unbilligen Vorteil zu erlangen oder zu behalten. Forderungen nach Bestechungsgeldern sollen von Unternehmen zurückgewiesen werden. Darüber hinaus sollen Unternehmen Aktivitäten zur Bekämpfung der Korruption etwa durch entsprechende Kontrollsysteme transparenter machen und angemessene Ethik- und Compliance-Programme sowie Compliance-Maßnahmen entwickeln.
Unternehmen sollen im Rahmen ihrer Beziehungen zu den Verbrauchern faire Geschäfts-, Vermarktungs- und Werbepraktiken anwenden und die Sicherheit und Qualität ihrer angebotenen Waren und Dienstleistungen gewährleisten. Dazu gehören hinreichend exakte, überprüfbare und klare Produktinformationen sowie der Schutz der Privatsphäre und personenbezogener Daten der Kunden. Unternehmen sollen bei ihrer Geschäftstätigkeit von täuschenden, irreführenden, betrügerischen oder unfairen Darstellungen, Aussagen oder sonstigen Praktiken Abstand nehmen.
IX. Wissenschaft und Technologie
Mit diesem Kapitel sollen multinationale Unternehmen angehalten werden, im Rahmen ihrer Tätigkeit und Berücksichtigung des wirtschaftlich Machbaren, dem Schutz von Geistigem Eigentum sowie des Wettbewerbs, die Ergebnisse ihrer Forschungs- und Entwicklungsergebnisse in den Gastländern zu verbreiten und damit den dortigen Ausbau der Innovationskapazitäten fördern. Gegebenenfalls sollen Entwicklungsarbeiten im Gastland mit einheimischem Personal durchgeführt und Verbindungen zu Hochschulen und öffentlichen Forschungseinrichtungen Vorort geknüpft werden.
Zum Schutz des Wettbewerbs wird von Unternehmen erwartet, dass sie ihre Geschäftstätigkeit unter Einhaltung aller geltenden wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen und Regelungen ausüben und keine wettbewerbswidrigen Absprachen zwischen Konkurrenten treffen. Es wird von Unternehmen erwartet, dass die wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen der jeweiligen Länder, in denen sie tätig sind, beachtet werden und auch, dass sie ihren Mitarbeitern die Bedeutung der Einhaltung der geltenden Wettbewerbsgesetze und -bestimmungen vermitteln. Zweck der Wettbewerbspolitik ist es, zum Allgemeinwohl und zum Wirtschaftswachstum beizutragen, indem Marktbedingungen gefördert werden, bei denen Art, Qualität und Preise der angebotenen Waren und Dienstleistungen durch die Wettbewerbskräfte am Markt bestimmt werden.
Im Bereich der Besteuerung sollen Unternehmen ihren Beitrag zu den öffentlichen Finanzen der Gastländer leisten, die Steuergesetze und Steuervorschriften der Länder, in denen sie tätig sind, beachten und mit den lokalen Steuerbehörden zusammenarbeiten. Durch die pünktliche Entrichtung ihrer Steuerschuld sollen sie einen Beitrag zu den öffentlichen Finanzen der Gastländer leisten. Entsprechend sind Unternehmen angehalten, die einschlägigen bzw. gesetzlich vorgeschriebenen Informationen an die zuständigen Behörden zu übermitteln, mit diesen zu kooperieren und den Zielen der im Gastland geltenden Steuergesetze gerecht zu werden.
Die OECD-Leitsätze beinhalten auch Empfehlungen betreffend die Wertschöpfungskette/Lieferkette von Unternehmen. Dies jedoch unter der Voraussetzung, dass das Unternehmen auf diesen Personenkreis auch einen tatsächlichen, entsprechenden Einfluss hat.
Die OECD widmet sich seit Jahren der Ausarbeitung und Entwicklung von Leitfäden und Praxis-Handbüchern, um die Durchführung von Sorgfaltsprüfungen im Sinne der OECD-Leitsätze in Unternehmen zu fördern und zu erleichtern. Anfangs widmete man sich einzelnen Sektoren, am 31. Mai 2018 veröffentlichte die OECD dann einen Leitfaden zur Sorgfaltspflicht für alle Sektoren. Dies ist ein weiterer Meilenstein für die Weiterentwicklung der Sorgfaltspflicht in der Lieferkette. Der Leitfaden ist auf alle Unternehmen anwendbar und stellt eine Ergänzung zu den sektorspezifischen Leitfäden dar.
Leitfaden für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht für verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln
- OECD Leitfaden zur Sorgfaltspflicht für alle Sektoren
- OECD Leitfaden zu Lieferketten für Minerale aus Konflikt- und Hochrisikogebieten
- OECD Leitfaden zu Lieferketten in der Landwirtschaft
- OECD Leitfaden zur Stakeholderbeteiligung im Bergbau-, Öl- und Gassektor
- OECD Leitfaden zu Lieferketten in der Bekleidungs- und Schuhwarenindustrie_de
- OECD Leitfaden zu Lieferketten in der Bekleidungs- und Schuhwarenindustrie_en
- OECD Leitfäden für den Finanzsektor
- OECD Leitfaden zur Erfüllung der Sorgfaltspflicht für ein verantwortungsvolles Firmenkredit- und Emissionsgeschäft
- OECD Leitfaden Praktische Maßnahmen für Unternehmen zur Bestimmung und Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit in Lieferketten für Minerale
Initiativen der EU zur Erfüllung der Sorgfaltspflicht
Die Erfüllung der Sorgfaltspflicht gewinnt in den letzten Jahren auf EU-Ebene stetig an Bedeutung. Mit der Verordnung 2017/821/EU, der sogenannten Konfliktmineralien-VO, legte der europäische Gesetzgeber erstmals für EU-Importeure verbindliche Sorgfaltspflichten in der Lieferkette für bestimmte Mineralien und Erze aus Hochrisikogebieten fest. Ab 1. Jänner 2021 sind diese Pflichten in Bezug auf das Managementsystem, Risikomanagementpflichten, Verpflichtung zur Durchführung von Prüfungen durch Dritte sowie Offenlegungspflichten für EU-Importeure anzuwenden. Die Konfliktmineralien-VO steht im Einklang mit den Standards der OECD im Bereich der Sorgfaltspflicht.
Um insbesondere kleine und mittlere Unternehmen die Einhaltung der Sorgfaltspflicht zu erleichtern, hat die EU umfangreiche Trainings- und Schulungsmaterialen unter dem Namen "Due Diligence Ready!" im Internet veröffentlicht. Diese Materialen sind auch in deutscher Sprache abrufbar und soll Unternehmen ein Verständnis für die Sorgfaltspflicht vermitteln und es ihnen ermöglichen, diese effektiv in ihrem Unternehmen umzusetzen.
- Broschüre "Due Diligence kompakt" – Ein praktischer Überblick zur Umsetzung der Sorgfaltsprüfung im Rahmen der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen (PDF, 389 KB)
- Informationsfolder zu den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen und zum österreichischen Nationalen Kontaktpunkt (PDF, 853 KB)
- Geschäftsordnung öNKP (PDF, 178 KB)
- öNKP Jahresbericht 2019 (PDF, 1 MB)
- OECD-Leitsätze – deutsch
- OECD-Leitfaden für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht für verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln - deutsch
Kontakt
Mario Micelli
Österreichischer Nationaler Kontaktpunkt (öNKP) für die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen
Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft
Stubenring 1
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E-Mail: NCP-Austria@bmaw.gv.at
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