EU-Gesetzgebung im Bereich der Handelspolitik
Verordnung (EU) 2021/167 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Februar 2021 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 654/2014 über die Ausübung der Rechte der Union in Bezug auf die Anwendung und die Durchsetzung internationaler Handelsregeln (Trade Enforcement Regulation)
Die EU hat den Schutz ihrer Handelsinteressen und ihrer Rechte in der aktuellen Situation, in der die Welthandelsorganisation (WTO) nicht in der Lage ist, verbindliche Streitbeilegungsbeschlüsse zu fassen, wenn ein WTO-Mitglied gegen einen Panelbericht Rechtsmittel einlegt, durch die Änderung der Verordnung (EU) Nr. 654/2014 „Trade Enforcement Regulation“ verbessert.
Die bisherige EU-Durchsetzungsverordnung aus dem Jahr 2014 eröffnete als gemeinsamer Rechtsrahmen für die Durchsetzung der Rechte der EU im Rahmen internationaler Handelsübereinkünfte der Kommission die Möglichkeit zur Verhängung von Gegenmaßnahmen mit Erlaubnis der WTO nach Abschluss eines Streitbeilegungsverfahrens.
Angesichts der bestehenden Lähmung des WTO-Berufungsgremiums wurde mit der Aktualisierung der bestehenden Vorschriften eine Handlungsmöglichkeit für die Kommission im Fall eines blockierten Streitbeilegungsverfahrens geschaffen. Damit soll vor allem im Hinblick auf solche Situationen Abhilfe geschaffen werden, in denen – nachdem es der EU gelungen ist, von einem WTO-Streitbeilegungsgremium eine positive Entscheidung zu erwirken – das Verfahren blockiert wird, weil die andere Partei gegen einen WTO-Panelbericht Rechtsmittel "ins Leere" eingelegt und einer Interimsvereinbarung nach Artikel 25 der WTO-Streitbeilegungsvereinbarung nicht zugestimmt hat.
Diese Verordnungsänderung erweitert die Möglichkeit der EU zur Verhängung von Gegenmaßnahmen in bestimmten Bereichen, wenn das weitere WTO-Streitbeilegungsverfahren blockiert wird oder wenn ein Drittstaat ein Streitbeilegungsverfahren auf Basis von bilateralen und regionalen Handelsübereinkünften der Union (FHAs) durch mangelnde Kooperation behindert.
In Ergänzung zu den bisherigen Anwendungsbereichen der Verordnung, Sanktionen wie Zölle, mengenmäßige Einfuhr- oder Ausfuhrbeschränkungen oder auch Maßnahmen im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens zu verhängen, erfolgt durch diese Änderung eine Erweiterung der Möglichkeiten zur Verhängung von Gegenmaßnahmen der EU auf den Bereich Dienstleistungen und auf bestimmte geistige Eigentumsrechte der Union, wobei nach einem Jahr eine Evaluierung durch die Europäische Kommission (EK) vorgesehen ist.
Im Einklang mit dem Green Deal werden auch Aspekte von Handel und nachhaltiger Entwicklung (Trade and Sustainable Development - TSD) berücksichtigt.
Überdies sagt die EK die Vorlage eines Legislativvorschlags für ein separates Rechtsinstrument zur Ergreifung unmittelbarer vorläufiger EU-Gegenmaßnahmen (anti-coercion-instrument) zu, das im Fall unilateraler Maßnahmen eines Drittlands, die eine offensichtliche Verletzung internationalen Rechts darstellen und den Interessen der EU schaden, angewendet werden kann.
Diese Verordnung (EU) Nr. 2021/167 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 654/2014 über die Ausübung der Rechte der Union in Bezug auf die Anwendung und die Durchsetzung internationaler Handelsregeln wurde am 12. Februar 2021 im Amtsblatt L 49 der EU veröffentlicht und trat am 13. Februar 2021 in Kraft.
Weitere laufende Gesetzgebungsverfahren
Vorschlag für eine Verordnung zum Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte sowie von darauf beruhenden oder sich daraus ergebenden Maßnahmen (Neufassung) COM(2015)0048 Verfahren 2015/0027 (COD)
Vorschlag für ein separates Rechtsinstrument zur Ergreifung unmittelbarer vorläufiger EU-Gegenmaßnahmen zum Schutz der Union und ihrer Mitgliedsstaaten vor Wirtschaftlichem Zwang - Legislativvorschlag COM (2021) 775 bzw. 2021/0406 (COD)
Die Europäische Kommission / EK möchte als Teil der größeren „offenen strategischen Autonomie“ der EU gegen Zwangsmaßnahmen seitens Drittstaaten mit Auswirkungen auf die EU und ihre Mitgliedsstaaten vorgehen.
Diese Verordnung gibt der EU die Möglichkeit eines Instruments mit vorherrschender Zielsetzung eines präventiven Effekts zum wirksamen Schutz der EU-Interessen gegen Zwangsmaßnahmen durch Drittstaaten. Im Vorschlag der EK ist ein zweistufiges Verfahren vorgesehen. Im Fall der Bestätigung des Vorliegens einer Zwangsmaßnahme sind in einer ersten Stufe Initiativen gegenüber dem verhängenden Drittstaat zu setzen, um diesen von der weiteren Umsetzung solcher Maßnahmen abzuhalten und ihre Auswirkungen zu unterbinden. Ausdrücklich sollen zu diesem Zweck auch Maßnahmen in geeignet erscheinenden internationalen Gremien und in Zusammenarbeit mit anderen von den Zwangsmaßnahmen betroffenen Staaten gesetzt werden. Erst wenn diese Lösungsversuche erfolglos bleiben, können in einer zweiten Stufe geeignete Gegenmaßnahmen ergriffen werden, die durch Durchführungsrechtsakte in einem Komitologieverfahren (Prüfverfahren) festzulegen sind, wobei auch ein Dringlichkeitsverfahren ermöglicht wird.
Im Rahmen interinstitutioneller Trilogverhandlungen zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Europäischen Kommission konnte ein provisorischer Kompromiss erreicht werden, der für den Rat durch die Botschafter der EU-MS bestätigt wurde. Österreich kann den im Rahmen der informellen Trilogverhandlungen zwischen schwedischer Ratspräsidentschaft, Europäischem Parlament und Europäischer Kommission erreichten Kompromiss mittragen, da das Anti-Zwangs-Instrument nicht in protektionistischer Art verwendet werden soll und die Verhängung von Vergeltungsmaßnahmen nur in Ausnahmesituationen vorgesehen ist. Eine starke Position des Rates bei der Umsetzung des Instruments sichert dies zusätzlich ab.
Sobald das Europäische Parlament den Kompromiss bestätigt hat, kann er formell angenommen und der Verordnungstext im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden. Diese Verordnung soll unter spanischer Ratspräsidentschaft in der zweiten Hälfte des Jahres 2023 in Kraft treten.
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Rechts- und Legistikabteilung: handelsfragen@bmaw.gv.at