Grundsätzliche Überlegungen in der Planungsphase Stand: April 2024
Die ersten Schritte in der Übergabe - die Planung
Eine Betriebsübergabe ist meist eine einmalige Angelegenheit. Die im üblichen Geschäftsbetrieb angewandten Kenntnisse und Erfahrungen lassen sich nur begrenzt auf diese komplexe und bedeutende Herausforderung anwenden. Es erfordert sorgfältige Planung, um sicherzustellen, dass das Unternehmen auch nach der Übergabe erfolgreich bleibt. Eine kompetente Beratung in der Planungsphase ist daher wichtig und ratsam, um den Erfolg der Übertragung zu gewährleisten. Mit der Unterstützung von Expertinnen und Experten können die rechtlichen, finanziellen und strategischen Aspekte der Übergabe effektiv gestaltet, zwischenmenschliche Konflikte gelöst und Pläne für die Zeit nach dem Lebensabschnitt als Unternehmerin bzw. Unternehmer entwickelt werden. So kann ein erfolgreicher Übergangsprozess ermöglicht werden.
Die Führungs- und Organisationsstruktur
Die Aufgabenverteilung in einem Betrieb nimmt im Laufe der Zeit nicht selten eine Eigendynamik an. Neue Vertragspartnerinnen bzw. Vertragspartner, junge Mitarbeitende, der technische Fortschritt und neue Trends adaptieren schleichend gewohnte – oft jahrelange nicht hinterfragte – Arbeitsabläufe und verändern dadurch auch die Struktur des Betriebs.
Stellt man die Überlegung an, das Lebenswerk zu übergeben, ist die Auseinandersetzung mit der aktuellen Organisationsstruktur sowie mit der Aufgaben-, Kompetenz- und Verantwortungsverteilung im Betrieb unerlässlich.
Die Visualisierung der Aufbauorganisation mittels Organigramm und der Ablauforganisation, z.B. durch Prozessablaufdiagramme, kann helfen, die Betriebsstruktur zu veranschaulichen. Im österreichischen Tourismus sind das Spezialwissen sowie das betriebsspezifische Know-How oft nur bei einer Person konzentriert. Daher ist die rechtzeitige Sammlung, Ordnung und Aufbereitung des Wissens unerlässlich, um einen umfassenden Wissenstransfer zu ermöglichen.
Ich möchte den Betrieb übergeben
Grundlagen zur Rechtsnachfolge
Im zivilrechtlichen Sinne ist das Unternehmen eine selbständige, organisierte Erwerbsgelegenheit, bei welcher alle körperlichen und unkörperlichen Sachen zu jener Gesamtsache zusammengefasst sind, welche die Erwerbsgelegenheit ausmachen. Gemäß § 1 des Unternehmensgesetzbuches (UGB) wird das Unternehmen gesetzlich definiert als auf Dauer angelegte Organisation selbstständiger wirtschaftlicher Tätigkeit, mag diese auch nicht auf Gewinn gerichtet sein. Jede Übertragung eines Unternehmens oder eines Unternehmensteils (Teilbetrieb) im Wege der Einzelrechtsnachfolge führt zur Haftungs- und Vertragsübernahme des Erwerbers für sämtliche unternehmensbezogene Verbindlichkeiten bis zum Wert der Aktiva, die Erwerbende bei der Übergabe kannten oder kennen mussten (§1409 ABGB). Diese Haftung ist zwingend und kann nicht vertraglich ausgeschlossen werden.
Darüber hinaus hat die Übertragung des Unternehmens im Wege der Einzelrechtsnachfolge den gesetzlichen Eintritt der Übernehmerin bzw. des Übernehmers in alle unternehmensbezogenen Rechtsverhältnisse der Übergeberin bzw. des Übergebers zur Folge (§ 38 UGB). Voraussetzung für die gesetzliche Übernahme ist, dass das Unternehmen „unter Lebenden“ erworben und fortgeführt wird (Achtung das Unternehmen muss fortgeführt werden, nicht jedoch der Firmenname)[1]. Weiters ist der gesetzliche Schuldbeitritt lediglich bei einem Asset Deal vorgesehen (und nicht beim Share Deal).
Unternehmensbezogene Verhältnisse sind sämtliche nicht höchstpersönliche (vertraglich und gesetzlich begründete) Rechtverhältnisse, wie z.B. Ansprüche auf Gewährleistung, Schadenersatz, Unterlassung gegenüber Dritten. Öffentliche Rechte gehen über, wenn diese sachbezogen sind (z.B. Betriebsanlagengenehmigung, wobei zu beachten ist, dass nachträgliche zusätzliche Auflagen (§ 79 GewO) zulasten des Erwerbers möglich sind, Baugenehmigung, Sperrstundenbescheid).[2]
Arten der Rechtsnachfolge
Möchte man das Unternehmen unter Lebenden an eine Nachfolgerin bzw. einen Nachfolger übergeben, ist eine rechtsgeschäftliche Verfügung notwendig. Die Übertragung kann grundsätzlich im Rahmen einer Gesamt- oder Einzelrechtsnachfolge erfolgen.
Bei einer Gesamtrechtsnachfolge (Universalsukzession) werden das zum Betrieb gehörende Vermögen sowie sämtliche Schulden uno actu – durch einen einheitlichen Rechtsvorgang – auf die Rechtsnachfolgerin bzw. den Rechtsnachfolger übertragen (z.B. Erwerb im Erbrechtsweg, Verschmelzung, Spaltung, Umwandlung). Bei Umgründungen im Sinne des Umgründungssteuergesetzes geht auch die ursprüngliche Gewerbeberechtigung auf das Nachfolgeunternehmen über. Zu beachten ist, dass Umgründungen im Firmenbuch einzutragen sind und innerhalb von 6 Monaten nach Eintragung die neue geschäftsführende Person zu bestellen und der Gewerbebehörde anzuzeigen ist.
Hingegen tritt die Rechtsnachfolgerin bzw. der Rechtsnachfolger bei einer Einzelrechtsnachfolge (Singularsukzession) nur in bestimmte einzelne Rechte der Vorgängerin bzw. des Vorgängers ein. Das heißt, jedes Rechtsgeschäft (Verpflichtungsgeschäft) wird durch das entsprechende Verfügungsgeschäft übertragen, z.B. Eintragung ins Grundbuch, Abtretung der Forderung, Notariatsakt.
Die Übernahme kann durch Share Deal oder Asset Deal erfolgen. Beim Share Deal werden Anteile des Unternehmens übertragen (z.B. Erwerb von Gesellschaftsanteilen, Kommanditanteilen). Rechtsträgerin des Unternehmens bleibt weiterhin die Gesellschaft, es wechseln lediglich Gesellschafterinnen bzw. Gesellschafter, die auch die Vertragspartnerinnen bzw. Vertragspartner bei einem Share Deal sind. Im Gegensatz zum Asset Deal kann der Share Deal rascher und einfacher abgewickelt werden. Allerdings ist zu beachten, dass der Anteilskauf stets die Einhaltung der für die Übertragung von Geschäftsanteilen maßgeblichen Formvorschriften erfordert (z.B. zwingendes Erfordernis eines Notariatsakts bei Übertragung eines GmbH-Geschäftsanteils mittels Rechtsgeschäfts unter Lebenden).[1]
Vertragspartnerin bei einem Asset Deal ist hingegen die Gesellschaft selbst. Bei einem Asset Deal werden wesentliche Vermögensteile (z.B. Liegenschaften) oder Wirtschaftsgüter (z.B. Maschinen) im Wege der Einzelnachrechtsnachfolge erworben. Jedes Wirtschaftsgut sowie sämtliche zu übernehmende Verträge werden vertraglich erfasst und mit entsprechendem Modus übertragen. Zudem bedarf die Übernahme eines Vertragsverhältnisses grundsätzlich der Zustimmung der jeweiligen Vertragspartnerin bzw. des jeweiligen Vertragspartners. Bei einem Erwerb mittels Asset Deal können die zu übertragenden Rechtspositionen einzeln ausgewählt werden und eine steuerliche Neubewertung der Vermögensgegenstände erfolgen. Der immaterielle Vermögensposten (Goodwill) kann abgeschrieben werden. Der Nachteil liegt jedoch in einem höheren Aufwand gegenüber einem Share-Deal.
[1] § 76 Abs 1 GmbHG
Tipp
Regeln Sie Art und Umfang der zu übertragenden Assets genau im Asset-Deal-Vertrag, um nachträgliche Streitigkeiten zu vermeiden, und denken Sie auch an ganz banale Themen wie z.B. die Übernahme der Telefonnummer.
Grundsätzlich ist bei Betriebsübergaben zu beachten, dass die Nachfolgerin bzw. der Nachfolger für Schulden und Verbindlichkeiten der Vorgängerin bzw. des Vorgängers haftet. Zwingende Haftung besteht gegenüber den Gläubigerinnen bzw. Gläubigern für sämtliche aus den zum Vermögen oder Unternehmen gehörigen Schulden, die die Übernehmerin bzw. der Übernehmer im Zeitpunkt der Übergabe kannte oder kennen musste, beschränkt mit der Höhe der Aktiva.
Achtung
Werden bei einem Asset Deal Kundendaten (z.B. Kundenkartei, Kundenliste, E-Mail-Adressen, Konto- und Kreditkartendaten, Kaufhistorie) an Erwerbende übertragen, ist darin eine erlaubnispflichtige Übermittlung im Sinne der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) zu sehen. Die Übertragung ist untersagt, sofern Kundinnen bzw. Kunden nicht zuvor – und somit den Veräußernden gegenüber – ihre Zustimmung zur Vertragsübertragung bzw. zur Datenweitergabe erteilt haben. Eine Ausnahme besteht lediglich für Kundinnen und Kunden mit aufrechten Vertragsverhältnissen sowie bei Einzelvereinbarungen. Da sämtliche im Zeitpunkt der Unternehmensübergabe bestehende Rechtsverhältnisse mit Veräußernden gemäß § 38 UGB automatisch auf die Erwerbenden übergehen, ist ein berechtigtes Interesse dieser an den Kundendaten – im Regelfall – zu bejahen.[2]
[2] Brugger, Unternehmenserwerb2 Kapitel 13 (Stand 1.10.2020, rdb.at)
Die Übergabe des Betriebs kann – abhängig vom jeweiligen Rechtsgeschäft – zu unterschiedlichen steuerlichen Belastungen führen. Unter bestimmten Voraussetzungen können Steuerbegünstigungen in Anspruch genommen werden (z.B. Freibetrag, halber Einkommensteuersatz sowie Grunderwerbsteuerbegünstigungen, sofern im Rahmen einer unentgeltlichen oder teilunentgeltlichen Betriebsübertragung auch Betriebsgrundstücke übertragen werden).
Bei einer Betriebsveräußerung – bei entgeltlicher Übertragung – kommt es grundsätzlich zur Aufdeckung der im Unternehmen vorhandenen stillen Reserven und zur Besteuerung der Veräußerungsgewinne. Hingegen führt eine unentgeltliche Übertragung zwingend zur Buchwertfortführung – stille Reserven werden hier nicht aufgedeckt.
Abgesehen vom Unternehmenserwerb von Todes wegen ist die Übernahme des Verlustvortrags durch die Erwerberin bzw. den Erwerber nicht möglich.
Haftung und Vertragsbindung
Im Unterschied zum Unternehmenserwerb im Erbweg führt die Übernahme zu Lebzeiten zu einer ex-lege – also kraft Gesetzes – Vertrags- und Haftungsübernahme der Erwerberin bzw. des Erwerbers.
Um unvorhersehbare Risiken zu vermeiden, die den gewünschten Verkaufspreis reduzieren oder sogar die Übergabe des Unternehmens gefährden können, erfordert die geplante Betriebsübernahme stets eine gründliche Due Diligence Prüfung. Als Due Diligence bezeichnet man die "gebotene Sorgfalt", mit welcher ein Unternehmenskauf im Vorfeld geprüft werden soll. Sowohl die übergebende als auch die übernehmende Person sollten die sachlichen Ressourcen und die strategische Positionierung des Unternehmens am Markt – so exakt wie möglich – einschätzen können, die Vermögens- und die Ertragslage des Unternehmens kennen sowie sämtliche Verträge (insbesondere mit Geschäftspartnerinnen bzw. Geschäftspartnern, Mitarbeitenden, Kundinnen bzw. Kunden, Versicherungsunternehmen und Lieferantinnen bzw. Lieferanten) unter die Lupe nehmen.
Kurz gesagt, die Due Diligence Prüfung dient dazu, jene Stärken und Schwächen des Unternehmens zu erkennen, die einen Spielraum für Preisverhandlungen eröffnen. Gleichzeitig wird auch deutlich, in welchen Bereichen die Veräußerin bzw. der Veräußerer Gewähr und Garantien für Richtigkeit und Vollständigkeit leisten soll und welche wertsteigernden Potenziale noch optimiert werden können. Für Erwerbende ist vor allem die Klärung bestehender Rechtsverhältnisse relevant. Eine Betriebsübergabe hat auch gravierende Konsequenzen für Gläubigerinnen und Gläubiger der übergebenden Person. Um sicherzustellen, dass diese keine finanziell "schwächeren" Vertragspartnerinnen bzw. Vertragspartner bekommen, schützt das Gesetz diese wie folgt:
In Folge eines Rechtsgeschäfts unter Lebenden (z.B. Kauf, Schenkung, Einbringung in eine Gesellschaft) greift die zwingende Bestimmung des § 1409 ABGB, nach welcher die erwerbende Person für sämtliche zum Unternehmen gehörigen Schulden, die die Erwerberin bzw. der Erwerber kannte oder kennen musste, haftet. Die Haftung ist mit der Höhe der übernommenen Aktiva begrenzt. Etwaige abweichende Vereinbarungen zwischen der übergebenden und der übernehmenden Person können die Haftung nicht ausschließen (anderes gilt bei Schuldbeitritt des Erwerbers gemäß § 38 UGB, wo die Haftungsübernahme ausgeschlossen werden kann). Die Nachhaftung ist nicht zeitlich limitiert! Der zwingende gesetzliche Schuldbeitritt eröffnet Gläubigerinnen und Gläubigern den Zugriff auf das Vermögen bzw. die Haftungsmasse sowohl der Veräußernden als auch der Erwerbenden.
Die §§ 38 ff UGB enthalten umfangreiche Bestimmungen zum Unternehmensübergang unter Lebenden. Sowohl die Veräußernden als auch die Erwerbenden trifft eine zeitlich begrenzte Haftung für übertragene unternehmensbezogene Verbindlichkeiten (soweit sie vor Ablauf von fünf Jahren nach dem Unternehmensübergang fällig werden, wobei die Ansprüche innerhalb der für die jeweilige Verbindlichkeit geltenden Verjährungsfrist verjähren, längstens jedoch in drei Jahren).
Ausschluss der Haftung von Erwerberinnen und Erwerbern
Die Haftung der Erwerbenden gegenüber Dritten für nicht übernommene Verbindlichkeiten, kann lediglich durch Einhaltung bestimmter Publizitätspflichten ausgeschlossen werden (z.B. Eintragung des Ausschlusses in das Firmenbuch beim Unternehmensübergang, Bekanntmachung auf verkehrsübliche Weise oder Mitteilung gegenüber Dritten durch Veräußernde oder Erwerbende).
Das Unternehmensgesetzbuch (UGB) fußt auf der Kontinuitätstheorie und verschafft mit der Bestimmung § 38 Abs 1 UGB Kontinuität in Bezug auf bestehende Rechtsverhältnisse; im Zweifel gehen somit sämtliche nicht höchstpersönliche Rechtsverhältnisse im Zuge der Übertragung eines Unternehmens von Veräußernden auf Erwerbende über (es handelt sich daher nicht um einen bloßen Beitritt der Erwerbenden, sondern um eine Übernahme der Rechtsverhältnisse).[3] Nach dieser Bestimmung löst die Übertragung von Unternehmen im Wege der Einzelrechtsnachfolge den gesetzlichen Eintritt der erwerbenden Person in alle unternehmensbezogenen Rechtsverhältnisse aus. Es entsteht grundsätzlich eine uneingeschränkte Haftung der erwerbenden Person für "Altverbindlichkeiten", unabhängig davon, ob diese Verbindlichkeiten bekannt waren.
[3] Brugger, Unternehmenserwerb2 Kap. 13 (Stand 1.10.2020, rdb.at)
Tipp
Die Übernahme der Vertragsverhältnisse muss den Vertragspartnerinnen und Vertragspartnern nachweislich mitgeteilt werden. Es empfiehlt sich daher im Rahmen der Due Diligence eine genaue Liste mit allen Vertragspartnerinnen und Vertragspartnern zu erstellen.[3]
Achtung
Beachten Sie, dass Vertragspartnerinnen und Vertragspartner des Unternehmens (nach UGB) dem Übergang der Rechtsverhältnisse auf die erwerbende Person widersprechen können. Die Verweigerung ihrer Zustimmung und in Folge die Nicht-Übernahme von langjährigen und dementsprechend meist günstigen Dauerschuldverhältnissen (z.B. Leasing-, Miet-, Liefer-, Bezugs-, Service- und Wartungsverträge, Know-How-, Lizenz- sowie Consultingverträge, Versicherungs- und Bankverträge) kann der Unternehmensübergabe Stolpersteine in den Weg legen bzw. diese sogar verhindern. Informieren Sie daher sämtliche Vertragspartnerinnen und Vertragspartner rechtzeitig über die geplante Übernahme. Zu beachten ist, dass Erwerbende auch dann für die Verbindlichkeiten haften, wenn durch einen Widerspruch der Vertragspartnerinnen und Vertragspartner das Rechtsverhältnis nicht auf Erwerbende übergeht (§ 38 Abs 4 UGB). Es empfiehlt sich daher mit der Mitteilung über den Vertragsübergang samt Widerspruchsbelehrung auch die (bedingte und zwischen Veräußerer und Erwerber vereinbarte) Haftungsausschlussmitteilung zu übermitteln (Ausschluss der Haftung von Unternehmenskäuferinnen und -käufern im Falle eines Widerspruchs bzw. im Falle der Nichtigkeit oder Anfechtung des Unternehmenskaufs).
Die übernehmende Person haftet unbeschränkt auch für Beiträge, Beitragszuschläge, Verzugszinsen und Verwaltungskostenersätze der übergebenden Person nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (§ 67 Abs 4 ASVG). Unkenntnis der Erwerbenden befreit von der Haftung lediglich, wenn diese auf Auskünften des Versicherungsträgers beruht. Die Haftung ist auf Beitragsschulden für die Zeit von höchstens 12 Monaten vor der Betriebsübergabe beschränkt.
Eine verschärfte Haftung gilt für Erwerberinnen bzw. Erwerber aus dem Kreis der Angehörigen. Geht der Betrieb auf Angehörige (z.B. Kinder, Ehegattin bzw. Ehegatte, Lebensgefährtin bzw. Lebensgefährte, Verwandte in gerader Linie, Verwandte zweiten und dritten Grades in der Seitenlinie) über, haften diese, solange sie nicht nachweisen, dass sie die Beitragsschulden nicht kannten bzw. trotz ihrer Stellung im Betrieb der Vorgängerin bzw. des Vorgängers nicht kennen konnten. Nahe Angehörige haben daher ihre unverschuldete Unkenntnis der Beitragsschulden zu beweisen.
Diese verschärfte Haftung gilt auch für am Betrieb bisher wesentlich beteiligte Personen sowie für Personen mit wesentlichem Einfluss auf die bisherige Geschäftsführung (z.B. leitende Angestellte, Prokuristinnen bzw. Prokuristen).
Ein bloßer Wechsel in der Person des Betriebsinhabers, ist kein „Erwerb“ im Sinne des § 67 Abs 4 ASVG (z.B. bei Veräußerung eines Unternehmens durch den Eigentümer nach Beendigung eines Pachtverhältnisses haftet der neue Betreiber nicht für die Beitragsschulden des alten Pächters).[1]
Ob im Falle der Fortführung der Betriebsgegenstand oder die Betriebsart gleich bleibt, ist nicht von Relevanz.[2]
[1] VwGH 29. 3. 2000, 94/08/0109
[2] Brugger, Unternehmenserwerb2 Rz 13.407 (Stand 1.10.2020, rdb.at)
Der Grundsatz, dass Abgabenschulden grundsätzlich persönliche und nicht übertragbare Schulden sind, wird im Falle einer Unternehmensnachfolge durchbrochen. Die erwerbende Person (nicht hingegen die pachtende Person) eines Unternehmens haftet – als Einzelrechtsnachfolgerin – neben der Veräußerin bzw. dem Veräußerer für betriebsbezogene Abgabenschulden (z.B. Lohnsteuer, Umsatzsteuer, Energieabgaben, Kommunalsteuer, Kapitalertragsteuer, Normverbrauchsabgabe), die auf den Zeitraum des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entfallen. Die Erwerberin bzw. der Erwerber muss die Schulden gekannt haben oder hätte sie aufgrund der nötigen Sorgfaltspflichten kennen müssen, wobei die Erwerberin bzw. den Erwerber eine Erkundigungspflicht trifft. Die Haftung hierfür ist mit dem Wert der übernommenen Aktiva begrenzt.
Anzeigepflicht der Nachfolgenden
Personen, die bei Wegfall eines Abgabepflichtigen (z.B. Erben, Kuratoren, Liquidatoren) zur Verwaltung seines Vermögens berufen sind und erkennen, dass Erklärungen, die der Abgabepflichtige zur Festsetzung von Abgaben abzugeben hatte, unrichtig oder unvollständig sind oder dass es der Abgabepflichtige pflichtwidrig unterlassen hat, solche Erklärungen abzugeben, haften für die vorenthaltenen Abgabenbeträge wenn sie den erkannten Verstoß nicht binnen drei Monaten, vom Zeitpunkt der Kenntnis an gerechnet, der Abgabenbehörde anzeigen.[1]
Betriebserwerbende und ihre Organmitglieder (z.B. Geschäftsführende Personen, Vorstandsmitglieder) kann - insbesondere bei einem Wechsel in der Person des gesetzlichen Vertreters - die persönliche Haftung treffen.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft neu hinzutretende Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer bei Übernahme ihrer Geschäftsführerfunktion dennoch keine Pflicht, die gesamte Buchhaltung und das Rechenwerk nachzuprüfen, sofern es keine Hinweise gibt, aus denen diese schließen können, dass Steuererklärungen oder abgabenrechtliche Selbstberechnungen in der Vergangenheit unrichtig gewesen sind.[2]
Keine Haftung besteht für nicht betriebsbezogene Abgaben wie die Einkommensteuer, Körperschaftssteuer, Grunderwerbsteuer, Kraftfahrzeugsteuer, Dienstgeberbeitrag zum Familienlastenausgleichsfonds, motorbezogene Versicherungssteuer, Straßenverkehrsbeitrag, Altlastenbeitrag, Säumniszuschläge.
[1] § 15 Abs 2 BAO
[2] VwGH 28. 2. 2014, 2012/16/0101
Achtung
Die Haftung der erwerbenden Person erstreckt sich auch auf die Übernahme von Unternehmen, die keinen Betrieb im einkommensteuerrechtlichen Sinne führen (z.B. reine Vermietung und Verpachtung).
Es gilt der Grundsatz der Nachrangigkeit, wonach die Erwerberin bzw. der Erwerber nur dann zur Haftung herangezogen werden kann, wenn bei der Hauptschuldnerin bzw. beim Hauptschuldner eine wesentliche Erschwerung der Einbringlichkeit vorliegt (z.B. drohendes Insolvenzverfahren, Exekution durch Dritte).[4]
Im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge (z.B. bei Erbfolge, Verschmelzung von Kapitalgesellschaften, Spaltung, Umwandlung) gehen sämtliche aus den Abgabenvorschriften resultierende Rechte und Pflichten auf Rechtsnachfolgerinnen bzw. Rechtsnachfolger über.
Die Erbinnen bzw. Erben haften abhängig von ihrer Erbantrittserklärung (bedingt oder unbedingt), begrenzt mit der durch Inventarisierung der Verlassenschaft ermittelten Höhe.
Bei der Beendigung von Personengesellschaften (OG, KG) gehen sämtliche Rechte und Pflichten – somit auch die Abgabenschulden – auf die zuletzt beteiligten Gesellschafterinnen bzw. Gesellschafter über.
Diese zwingende Schutzbestimmung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des AVRAG stellt sicher, dass alle von einem Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmerinnen bzw. Arbeitnehmer ihre Ansprüche aus Arbeitsverhältnissen behalten. Ob ein Betriebsübergang vorliegt, ist immer anhand tatsächlicher Gegebenheiten zu beurteilen. Werden wesentliche Teile des Unternehmens übernommen und weitergeführt (insbesondere Betriebsgebäude und -räume, Betriebsausstattung, materielle und immaterielle Aktiva, Großteil der Belegschaft, Kundinnen und Kunden) haften Übernehmende für alle Ansprüche aus Arbeitsverhältnissen, die zum Zeitpunkt des Übergangs aufrecht waren, unbeschränkt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) stellt darauf ab, ob eine "wirtschaftliche Einheit" unter Identitätswahrung übergeht. Der Oberste Gerichtshof (OGH) wendet sämtliche Tatbestandsmerkmale im Rahmen eines beweglichen Systems an und versteht den Begriff Betriebsübergang in einem sehr weiten Sinn.[5]
Geht ein Unternehmen, Betrieb oder Betriebsteil auf eine andere Inhaberin bzw. einen anderen Inhaber über, so tritt diese Person als Arbeitgeberin bzw. Arbeitgeber mit allen Rechten und Pflichten in sämtliche zum Zeitpunkt des Übergangs bestehende Arbeitsverhältnisse ein (somit auch in jene von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die karenziert sind, Präsenz- oder Zivildienst ableisten etc.)[6]. Die Haftung tritt automatisch ein und trifft sowohl alte als auch neue Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zur ungeteilten Hand (Solidarschuld). Für Forderungen aus Arbeitsverhältnissen, die zum Zeitpunkt der Übergabe bereits beendet waren, beschränkt sich die Haftung auf jene Forderungen, die die Erwerbenden kannten.
Im Ergebnis bedeutet das, dass – sofern das Unternehmen fortgeführt wird – Arbeitnehmerinnen bzw. Arbeitnehmer grundsätzlich einen Rechtsanspruch darauf haben, von der Übernehmerin bzw. dem Übernehmer zu denselben Bedingungen (z.B. kollektivvertragliche Einstufung, Urlaubs- und Abfertigungsansprüche) weiter beschäftigt zu werden.
Verschlechtern sich die Arbeitsbedingungen durch die Übernahme wesentlich, haben Arbeitnehmerinnen bzw. Arbeitnehmer die Möglichkeit, ihre Arbeitsverhältnisse – unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfristen und Termine – zu beenden und ihre Ansprüche auf Abfertigung und Urlaubsentschädigung geltend zu machen. Dasselbe gilt auch, wenn Betriebspensionszusagen von der Erwerberin bzw. dem Erwerber nicht übernommen werden.
Übergeberinnen und Übergeber haften zudem fünf Jahre nach dem Betriebsübergang:
- für Abfertigungsansprüche, die nach dem Betriebsübergang entstehen, mit jenem Betrag, der dem fiktiven Abfertigungsanspruch im Zeitpunkt des Betriebsübergangs entspricht[7]
- für Ansprüche auf eine Betriebspension aus einem Leistungsfall nach dem Betriebsübergang begrenzt mit jenem Betrag, der den im Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden Pensionsanwartschaften entspricht[8]
Sofern im Zuge des Betriebsübergangs auch Abfertigungsrückstellungen und dazu gehörige Wertpapierdeckungen an Erwerbende übertragen werden, haften die Veräußernden nur für die Dauer eines Jahres nach Betriebsübergang, begrenzt mit der Differenz zwischen dem Wert der übertragenen Sicherungsmittel, und der bis zur Unternehmensübergabe angefallenen fiktiven Abfertigungssumme.[9]
[5] OGH 22.12.2004, 8 ObA 43/04p; 26.6.2003, 8 ObA 41/03t
[6] § 3 AVRAG
[7] § 6 Abs 2 AVRAG; 5Ob114/03f; 9Ob17/04x; 8ObA36/06m
[8] und [9] § 6 Abs 2 AVRAG
Achtung
Beachten Sie, dass Übergebende in Unternehmen, die keine Arbeitnehmendenvertretung haben, im Vorhinein über den (geplanten) Zeitpunkt des Übergangs, den Grund des Übergangs, die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmerinnen bzw. Arbeitnehmer sowie die hinsichtlich der Arbeitnehmerinnen bzw. Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen schriftlich zu informieren haben (Information durch Aushang ist ausreichend) - siehe § 3a AVRAG.
Die Erteilung der Informationen spätestens ein Monat vor dem Unternehmensübergang wird grundsätzlich als rechtzeitig erachtet.
Bei Spaltungen im Sinne des Umgründungssteuergesetzes gilt jene Gesellschaft als Veräußerin, der die Verbindlichkeiten nach dem Spaltungsplan zuzuordnen sind.[10]
Anderes gilt im Falle der Insolvenz der Übergeberin bzw. des Übergebers. Diesen Fall hat der Gesetzgeber als Ausnahmetatbestand der Haftungsübernahme normiert. Nach Eröffnung des Sanierungsverfahrens ohne Eigenverwaltung oder eines Konkursverfahrens der Veräußerin bzw. des Veräußerers greift die Eintrittsautomatik nicht.[11] Kommt es zur Abweisung der Verfahrenseröffnung mangels kostendeckenden Vermögens, bleibt die Eintrittsautomatik aufrecht.
[10] § 6 Abs 3 AVRAG
[11] § 3 Abs 2 AVRAG
Bei Versicherungsverträgen in Zusammenhang mit der Sachversicherung tritt die erwerbende Person (bei einem Asset Deal) ex lege an die Stelle der veräußernden Person in den Versicherungsvertrag ein. Dasselbe gilt auch für (Kfz-)Haftpflichtversicherungen und Kaskoversicherungen. Eine Verletzung der Benachrichtigungspflicht kann zu Leistungsfreiheit des Versicherers führen. Daher sind bestehende Versicherungsverträge im Rahmen der Unternehmensübergabe anzupassen[12]. Grundsätzlich können sowohl das Versicherungsunternehmen als auch die Übernehmerin bzw. der Übernehmer das Versicherungsverhältnis unter Einhaltung einer Frist von einem Monat kündigen. Das Kündigungsrecht des Versicherungsunternehmens erlischt, wenn es dieses nicht innerhalb eines Monats ab Kenntnis der Übernahme ausübt. Das Kündigungsrecht der Erwerberin bzw. des Erwerbers erlischt, wenn es nicht innerhalb eines Monats nach dem Erwerb ausgeübt wird, es sei denn, die Erwerberin bzw. der Erwerber hatte von der Versicherung keine Kenntnis. In diesem Fall bleibt das Kündigungsrecht bis zum Ablauf eines Monats nach Kenntniserlangung der Erwerberin bzw. des Erwerbers bestehen.
Veräußernde und Erwerbende haften beide zur ungeteilten Hand für jene Prämie, welche auf die zur Zeit des Eintrittes laufende Versicherungsperiode entfällt.
[12] § 69 VersVG
Soweit nichts Gegenteiliges vereinbart, geht das zu einem Unternehmen gehörige Markenrecht samt allfälligen Lizenzrechten im Falle eines Eigentumswechsels am gesamten Unternehmen auf den neuen Eigentümer über. Dies bedarf einer Umschreibung beim Patentamt bzw. Amt der EU für Geistiges Eigentum.[1]
[1] Brugger, Unternehmenserwerb2 Kapitel 13 (Stand 1.10.2020, rdb.at)
Vermietende als Liegenschaftsverkaufende
Wird (mittels Asset Deal) ein Unternehmen veräußert, zu welchem auch vermietete Liegenschaften gehören, gehen sowohl die von den Liegenschaftsverkaufenden (als Vermietenden) mit Mietenden abgeschlossene Mietverträge, als auch verdinglichte Bestandrechte (nach § 1095 ABGB) auf Erwerbende über.[1]
Die erwerbende Person hat zwar grundsätzlich ein allgemeines Kündigungsrecht („Kauf bricht Miete und Pacht“). Dieses ist im Bereich des Kündigungsschutzes nach MRG kaum durchsetzbar.[2]
Lokalmiete außerhalb des Anwendungsbereichs des MRG
Unterliegt die Lokalmiete dem Anwendungsbereich des ABGB bleiben Veräußernde (bisherige Mietende) weiterhin Vertragspartner des Mietvertrages sofern die bzw. der Vermietende der Mietvertragsübernahme durch Nachfolgende nicht (auch nicht konkludent) zustimmt.
Achtung
Eine Verpachtung stellt jedoch keine "Veräußerung" dar.[14] Im Falle einer Verpachtung verbleiben die Mietrechte bei den Hauptmietenden. Den Vermietenden steht es zu, den Mietzins für die Dauer der Verpachtung auf einen angemessenen Betrag anzuheben. Das Verpachtungsrecht ist zwingend und kann nicht rechtswirksam ausgeschlossen werden.
§ 12 a Abs 1 MRG – Vertragsübergang beim Asset Deal im Vollanwendungsbereich des MRG
Veräußert die Hauptmieterin bzw. der Hauptmieter einer Geschäftsräumlichkeit das von ihr bzw. ihm im Mietgegenstand betriebene "lebende" Unternehmen zur Fortführung in diesen Räumen, so treten Erwerbende automatisch – anstelle der bisherigen Hauptmieterin bzw. des bisherigen Hauptmieters – in das Hauptmietverhältnis ein (genannt Mietrechtsübergang), sofern das Unternehmen im Wesentlichen weiterführt wird.[3] Das gilt auch für Unternehmensveräußerungen in laufenden Insolvenzverfahren.[4]
Vereinbaren die Parteien dennoch mit dem Vermieter, dass der alte Mietvertrag weiterhin gelten soll, wird dadurch ein neuer Mietvertrag beurkundet und es fallen Gebühren an.[5]
Die "Veräußerung" im Sinne des Mietrechtsgesetzes erfasst auch Verpachtung[6], Schenkungen, Leibrentenverträge, Vermächtnisse, Einbringungen eines Einzelunternehmens als Sacheinlage in eine Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft sowie Einbringungen einer Personengesellschaft in eine GmbH (nicht jedoch bei Untermiete). Die Veräußerung des Unternehmens durch den Verpächter (und Mieter) ist eine Veräußerung des „Unternehmens“ im Sinne des § 12 a MRG.[7]
Zu einem Mietrechtsübergang kommt es auch, wenn eine bzw. einer der Mitmietenden der bzw. dem anderen Mitmietenden das Bestandobjekt zur Gänze zum Betrieb dessen Unternehmens zur Verfügung stellt. Dasselbe gilt, wenn die bzw. der Mithauptmietende der Veräußerung des Unternehmens durch deren bzw. dessen Inhabenden und somit dem Übergang der Hauptmietrechte auf Erwerbende zustimmt.[8]
Für die bei Vertragsübergang offenen Mietzinse haften der Erwerber und der Altmieter solidarisch (der Veräußerer haftet nicht für den neu anfallenden Mietzins im Vollanwendungsbereichs des MRG).
Die Unternehmensveräußerung ist seitens der veräußernden und der erwerbenden Person unverzüglich der Vermieterin bzw. dem Vermieter anzuzeigen. Diese Anzeige bietet der Vermieterin bzw. dem Vermieter bei einer künftigen Verwertung oder Verpfändung der Liegenschaft eine Kalkulationsgrundlage für die Ermittlung des richtigen Ertragswerts. Entsteht der Vermieterin bzw. dem Vermieter ein Kaufpreisschaden aufgrund der unterlassenen Anzeige über die Unternehmensveräußerung, können sowohl die Altmieterin bzw. der Altmieter als auch die Neumieterin bzw. der Neumieter grundsätzlich schadenersatzpflichtig werden.[15]
Anhebung des Mietzinses
Die Vermieterin bzw. der Vermieter ist berechtigt, bis spätestens sechs Monate nach der Anzeige den bisherigen Hauptmietzins auf den "angemessenen Hauptmietzins" anzuheben. Temporäre Sonderentwicklungen durchschnittlicher Mietzinse für Geschäftslokale (z.B. Covid-19-Pandemie) sind für die Ermittlung des angemessenen Mietzinses grundsätzlich unbeachtlich.[16] Handelt es sich bei den neuen Mieterinnen bzw. Mietern um gesetzliche Erbinnen bzw. Erben der bisherigen Hauptmietenden, darf der Hauptmietzins lediglich verteilt auf 15 Jahre (um jeweils ein fünfzehntel des Betrags jedes Jahr) angehoben werden.[17]
Juristische Person oder eine unternehmerisch tätige eingetragene Personengesellschaft als Mieterin
Die Anhebung des Mietzinses ist zudem zulässig, wenn die Hauptmieterin eine Gesellschaft (unternehmerisch tätige Personengesellschaft bzw. juristische Person) ist und sich ihre rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten entscheidend ändern (z.B. Machtwechsel durch Anteilsübertragung bei einer Kapitalgesellschaft, Veränderung der Mehrheitsverhältnisse).
Ob eine entscheidende Änderung bzw. ein Machtwechsel vorliegt, ist stets einzelfallbezogen zu ermitteln. Die entscheidende Änderung muss nicht auf einmal geschehen, vielmehr kommt es auf die Anteilsübertragungen in ihrer Gesamtheit an. Je nach Lage des Einzelfalls kann auch eine Übertragung von weniger als der Hälfte der Anteile zu einer Mietzinserhöhung führen, sodass bereits eine Übertragung von zwei Prozent der Anteile ein "Kippen der Mehrheitsverhältnisse" bewirken kann.
[15] OGH 20.10.2020, 4 Ob 128/20g
[16] OGH 30.03.2023, 5 Ob 13/23g
[17] § 46a Abs 2 MRG
Beispiel
Bei einer Gesellschafterstruktur von Person A mit 49 Prozent, Person B mit 49 Prozent und Person C mit 2 Prozent überträgt Person C seine Anteile auf Person A. So erlangt Person A entscheidenden Einfluss auf die Gesellschaft, wodurch die Erhöhung des Mietzinses möglich ist.
Auch im Fall des Ausscheidens bzw. des Austauschens einer persönlich haftenden Gesellschafterin bzw. eines persönlich haftenden Gesellschafters einer unternehmerisch tätigen Personengesellschaft wird ein Machtwechsel gesehen. Hingegen hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass der Abverkauf einer Mehrheitsbeteiligung unter Begründung von Streubesitz die Folgen des § 12a Abs 3 MRG nicht auslöst, sofern die Einzelfallprüfung ergibt, dass trotz Änderung der rechtlichen Verhältnisse keine wirtschaftliche Änderung eintritt. Bleiben daher die Machtverhältnisse unverändert, besteht kein Anhebungsrecht.[18] Ein Kippen der Mehrheitsverhältnisse kann daher einen "Machtwechsel" indizieren, ist jedoch kein ausschließliches Kriterium. Tritt neben der Änderung in den rechtlichen Verhältnissen keine wirtschaftliche Änderung ein, dann ist auch eine Mietzinserhöhung nicht gerechtfertigt.[19] Bei einer Kommanditgesellschaft ist ein Machtwechsel jedenfalls dann anzunehmen, "wenn der persönlich haftende Gesellschafter ausgetauscht wird oder sich die Beteiligungsverhältnisse bei den kraft Gesetzes geschäftsführungsbefugten Komplementären entscheiden verschieben".[20]
Eine Gesamtrechtsnachfolge (von jener im Erbweg abgesehen) löst den Tatbestand des MRG nicht automatisch aus und berechtigt per se zu keiner Hauptmietzinserhöhung. Allerdings ist zu beachten, dass Umwandlungen, Verschmelzungen, Spaltungen zu einem Machtwechsel führen können.
Bei einer Verpachtung behalten die Hauptmieterin bzw. der Hauptmieter sämtliche bestehende Rechte aus dem Mietrechtsverhältnis. Es besteht jedoch eine Anzeigepflicht über die erfolgte Verpachtung. Vermietende können den Mietzins für die Dauer der Verpachtung auf den "angemessenen Mietzins" anheben, außer die Verpachtung ist auf einen wichtigen persönlichen Grund (z.B. Krankheit) der Hauptmieterin bzw. des Hauptmieters (für maximal fünf Jahre) zurückzuführen.[21]
Der Wechsel von Mehrheitsgesellschaftern ist grundsätzlich ein Indiz für einen Machtwechsel. Wenn doch wegen eines Fruchtgenussrechts der entscheidende Einfluss auf die Gesellschaft beim selben Fruchtgenussberechtigten verbleibt, liegt nach herrschender Ansicht kein Machtwechsel vor.[22]
[21] § 12a Abs 6 MRG
[22] Brugger, Unternehmenserwerb2 Rz 13.300 (Stand 1.10.2020, rdb.at), OGH 28. 8. 2018, 5 Ob 164/18f
Tipp
Werden Familienmitglieder oder nahe Angehörige als Nachfolgerinnen bzw. Nachfolger in Erwägung gezogen, ist es wesentlich, dass sie sich ihrer zukünftigen Verantwortung – nicht zuletzt auch aufgrund der Haftungsübernahme – bewusst sind.
Zu beachten ist, dass insbesondere §§ 1409 ABGB, § 14 BAO, § 67 ASVG eine strengere Haftung für diese Personengruppe vorsehen.
Hinweis
Für die Richtigkeit und Vollständigkeit der in diesem Leitfaden angebotenen Informationen sowie die angeführten externen Hyperlinks wird, trotz sorgfältiger Bearbeitung, keine Haftung übernommen.